Lucas Jamnig ist Lead Counsel beim Wiener Scale-up fiskaly. Das Unternehmen hat bereits mehr als 100 Mitarbeiter:innnen und bietet aktuell in fünf Ländern cloudbasierte Lösungen rund um Fiskalisierung und den digitalen Kassenbon an. Mit Codara hat er darüber gesprochen, warum er den Wechsel aus der Kanzlei in die Rechtsabteilung als „goldenen Weg“ sieht, welche Rolle Tech-Affinität im Inhouse-Arbeitsalltag spielt und wie er mit seinem Konzept House of Legal die Arbeit der Unternehmensjurist:innen effizienter gestaltet. Im Bild: Johannes Ferner, CEO und Co-Gründer von fiskaly mit Lucas Jamnig.
Inhouse statt Kanzlei: Den ganzen Kuchen backen
Nach mehreren Stationen in verschiedenen Großkanzleien stellte Lucas J. fest, dass die klassische Kanzleistruktur nicht das richtige für ihn war: „In der Kanzlei fühlte es sich an, als würde ich nur ein einzelnes Stück vom Kuchen backen. Ich bekam eine Rechtsfrage und lieferte die Antwort. Wie die Lösung im Unternehmen umgesetzt wurde, den fertigen Kuchen also, sah ich nicht.“
Diese Erfahrung führte ihn schließlich zu einem klaren Entschluss: Er wollte nicht nur ein Teilstück bearbeiten, sondern das große Ganze überblicken und mitgestalten. Der Wechsel in die Rechtsabteilung eines Unternehmens bot genau diese Möglichkeit. Als Unternehmensjurist kann er rechtliche „Produkte” von Anfang bis Ende entwickeln und deren Umsetzung selbst verfolgen. Hinzu kommt mehr Flexibilität und eine bessere Work-Life-Balance. „Für mich ist der Wechsel ins Inhouse daher der goldene Weg. Ich bekam als Unternehmensjurist schon früh die Freiheit, Dinge auszuprobieren und Verantwortung zu übernehmen.“
House of Legal: Innovation trifft Rechtsabteilung
Vor etwa zwei Jahren stellte sich Lucas die Frage, wie eine Rechtsabteilung schneller und effizienter arbeiten kann. Es gab einfach zu viele Anfragen. „Für mich bedeutet Erfolg als Inhouse Counsel, schnell reagieren zu können und immer den Überblick zu behalten.“ Er suchte also nach Abkürzungen, um den Kolleg:innen im Unternehmen rasch und zuverlässig Antworten geben zu können.
Er begann, sich intensiv damit zu beschäftigen, wie Prozesse optimiert werden können, und experimentierte mit Softwarelösungen aus den Bereichen IT und Kundenservice, wie beispielsweise Eingabe-Masken und Ticketsysteme. Dabei suchte er insbesondere den Austausch mit Fachabteilungen wie Data Science und Business Intelligence.
Daraus entstand sein Konzept des House of Legal, das er nun als Lead Counsel bei fiskaly umsetzt. Nachdem sie bei der Tür eintreten, geben Kolleg:innen ihre Anfrage über eines der „Service-Fenster“ ein. Die Fenster stellen acht verschiedene rechtliche Subkategorien dar. Die Nutzerfreundlichkeit steht dabei an oberster Stelle. Das System legt automatisch ein Ticket an, klassifiziert die Anfrage, priorisiert sie und wählt die passende Jurisdiktion aus. In Zukunft können Schnittstellen zu KI-basierten Legal-Tech-Lösungen eingebaut werden, damit Rechtsabteilungen noch effizienter arbeiten und erste rechtliche Einschätzungen schneller liefern können.
Zurzeit sind es vor allem Wachstum und Expansion, die Lucas und sein Inhouse-Team auf Trab halten. Als Scale-up fährt fiskaly einen regelrechten Expresskurs. Da muss die Rechtsabteilung Schritt halten. Ein Vorteil des House of Legal in diesem Umfeld: Keine Anfrage geht in der E-Mail-Flut verloren.
Inhouse Counsel: Erfolg und Zukunft gestalten
Als Inhouse Counsel sieht er sich als Bindeglied zwischen Kanzlei und Management: „Ich muss der Katalysator sein.“ Durch das House-of-Legal-System kann er dem Management punktgenau belegen, wie viele Anfragen eingegangen sind und in welcher Zeit sie bearbeitet wurden. „Dafür ist das Ticketsystem wie geschaffen!“
Für Jurist:innen ist das Knowledge Management besonders wichtig. „KI kann Daten extrahieren und aufbereiten. Dafür braucht sie ein solides Wissensfundament. Jurist:innen müssen mit ihrem eigenen Wissen schnell in Interaktion treten können.“
Natürlich ist nicht jeder ein Early Adopter, betont er. Deshalb müsse der Mehrwert neuer Tools klar und greifbar vermittelt werden. „Ich selbst bin gerne Frontrunner: Ich teste früh, experimentiere und will verstehen. Dafür nehme ich mir bewusst Zeit.“ Oder, wie er Marie von Ebner-Eschenbach zitiert: „Wer nichts weiß, muss alles glauben.“
Gute Zusammenarbeit mit Kanzleien: K.O. für die KI
Für fiskaly hat Lucas ein Top-Team aus Anwältinnen und Anwälten zusammengestellt, das genau auf die Bedürfnisse des Unternehmens abgestimmt ist. „Für mich machen Ehrlichkeit und Menschlichkeit eine gute Zusammenarbeit mit Kanzleien aus. Nur Menschen können sich an einen Tisch setzen, sich auf ein Ziel committen, Synergien finden und nach Lösungen suchen. Das kann KI nicht. Und auch nicht danach gemeinsam auf ein Getränk gehen.“
Lessons Learned: Aha-Erlebnisse, Reflexion und Antworten
„Meine wichtigsten Aha-Momente waren oft eigentlich Fuck-up-Erlebnisse.“ Er hat aus Situationen, in denen etwas nicht funktioniert hat, gelernt, dass selbst der leistungsbewussteste Inhouse-Jurist nicht erfolgreich sein kann, wenn es zu viele Anfragen gibt. Struktur und Priorisierung sind entscheidend.
Über diese und andere Erkenntnisse spricht er auch in seinem Paneltalk bei der RUSt Next Gen von Business Circle. Ein Thema wird sein: Wie Jurist:innen je nach Gegenüber und Umfeld die richtige „Temperatur“ finden, um rechtliche Antworten zu kommunizieren.
Quo vadis: Wie sich die moderne Rechtsabteilung entwicklen wird
Wie Lucas die Zukunft der Rechtsabteilung sieht:
In den nächsten 12 Monaten
- KI strukturiert Anfragen vor
- KI übernimmt Zusammenfassungen und Erstentwürfe
- Jurist:innen gewinnen dadurch mehr Zeit für komplexere Themen
In fünf Jahren
- KI-Agenten werden sich durchsetzen
- Jurist:innen entwickeln KI-Agenten für ihre individuellen Anforderungen
- KI wird zum echten Mitstreiter im Team
Anmerkung der Redaktion: Die KI-gestützten Software-Lösungen für Legal Compliance Monitoring von Codara sind dafür gedacht, Inhouse-Jurist:innen für anspruchsvolle Aufgaben freizuspielen.