Skip to content
news

Merve Taner: Legal by Design & die Rechtsabteilung

Interview mit Merve Taner, Legal Counsel AI & Product Advisory bei der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG, über Legal by Design und KI

„Legal sollte als Frontrunner agieren, nicht als Backoffice.“ So beschreibt Merve Taner, Legal Counsel AI & Product Advisory bei der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG, wohin sich moderne Rechtsabteilungen entwickeln sollten. Die ehemalige Rechtsanwältin ist heute für die rechtliche Prüfung aller KI-Use-Cases und KI-gestützten Prozessoptimierungen in der Erste-Gruppe österreichweit verantwortlich und Ansprechpartnerin für Rechtsfragen aus dem Rechtsgebiet der künstlichen Intelligenz in den CE-Tochtergesellschaften. Gleichzeitig berät sie die KI-Governance der Erste-Group.

Im Rahmen unserer Interview-Serie mit Inhouse Counsels hat sie mit Codara gesprochen.

Von der Kanzlei ins Unternehmen

„Ich wollte immer Anwältin werden, und der Job in den unterschiedlichen Kanzleien hat mir sehr viel Spaß gemacht“, erzählt Taner. „Ein Krankheitsfall in der Familie führte dazu, dass ich dann doch kritischer hinterfragt habe, ob ich wirklich meine Nische gefunden habe und das Rechtsgebiet für das ich brenne.“

In der Erste Bank fand sie schließlich das, was sie gesucht hatte: die Möglichkeit, aktiv zu gestalten. Ihre breite juristische Ausbildung in der Kanzlei zahlte sich aus.
Denn bereits im ersten Monat erreichte sie ihr erster KI-Use-Case und entwickelte, aufbauend auf ihrer Ausbildung, ein eigenes Fallprüfungsschema zugeschneidert an die sich neu entwickelnde Rechtsmaterie. Bald wurde ihr die Verantwortung für die juristische Begleitung aller KI-Projekte im Legal Product Advisory Team der Rechtsabteilung übertragen. Dazu gehören Eigenentwicklungen und zugekaufte Produkte. Dabei arbeitet sie abteilungsübergreifend mit Legal, Business, Marketing, Social Media, Produktmanagement und Entwicklern der Erste Digital zusammen. „Das Schöne ist, dass ich dadurch mit vielen unterschiedlichen Bereichen, Funktionen und Menschen in der Erste Bank in Kontakt komme.“

Legal by Design: Von Anfang an dabei

Merve will die Wahrnehmung der Rechtsabteilung verändern: von der reaktiven Kostenstelle hin zum aktiven, gestaltenden Partner. „Legal by Design bedeutet, dass Jurist:innen von Anfang an eingebunden werden und nicht erst in letzter Minute. Wenn alle Stakeholder gemeinsam gestalten, werden Produkte und Prozesse automatisch besser.“ Damit dieser Wandel besser funktioniert, müssen Jurist:innen proaktiv auf andere Abteilungen zugehen, Eigeninitiative zeigen und von der ersten Minute an bei der Sachverhaltserhebung anwesend sein.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor dabei ist für sie interdisziplinärer Respekt: „Nur wenn das Wissen und die Expertise der anderen wertgeschätzt werden, funktioniert die Zusammenarbeit.“

KI als Unterstützung, nicht als Ersatz

Jurist:innen müssen technisch versiert sein und mit den vorhandenen Tools umgehen können. KI kann repetitive Rechercheaufgaben übernehmen, Texte zusammenfassen und als Starthilfe für Entwürfe dienen. „Aber ein Sprachmodell wird Expert:innen nicht ersetzen. Ich denke, wir werden nicht weniger Jurist:innen brauchen, sondern eher mehr.“

Bei der Einführung von KI in Unternehmen rät Taner zu realistischen Erwartungen an die Technologie, denn Effizienzsteigerung passiert nicht auf Knopfdruck. Sie ist das Ergebnis eines Prozesses, der gewohnte Abläufe verändert. Die Nutzung von KI ist ein Extraschritt. Oft hört sie: „Das eine Ergebnis von ChatGPT war nicht zu gebrauchen oder diese eine Entscheidung war halluziniert, da mache ich es lieber selbst.“ Das ist laut Merve der falsche Ansatz. „Man muss stets weiter machen und der Erfolg wird kommen. Trial & Error.“

Zusammenarbeit mit Kanzleien und KI-Anbietern

Worauf sie bei Drittanbietern achtet: „Dass eine KI-rechtliche Prüfung gemacht wurde, und zwar von der hauseigenen Rechtsabteilung oder einer Rechtsanwaltskanzlei.“ Ein Template aus dem Internet oder ein Entwurf von ChatGPT, Copilot und co reichen nicht aus. Das sind keine Legal Tech spezialisierten Tools und auch ohne Anleitung von Jurist:innen.

Self-Assessments, Nachweise zur Einhaltung der KI-Verordnung und die rechtlich saubere Erklärung, warum eine Software in welchen Risikobereich nach KI-VO fällt, sind für sie unverzichtbar. „Als Käufer/Lizenznehmer müssen wir uns mit den Produkten, die wir von Dritten beziehen, auskennen und auf den Informationen unsere Dokumentation aufbauen, die wir für uns und die Behörden bereithalten.“

Auch bei der Zusammenarbeit mit Kanzleien setzt sie technisches Grundverständnis voraus. Dies im Sinne der Effizienz.

Aktuelle regulatorische Schwerpunkte

Aktuelle regulatorische Schwerpunkte, die sie auf Trab halten, sind die KI-Verordnung und die dazugehörigen Leitlinien, insbesondere im Kontext von Zahlungsverkehr und Cybersecurity (PSD 3, PSR, NIS II RL), sowie der Vorschlag zur Omnibus-Verordnung, die seit Veröffentlichung letzte Woche (19.11.25) Wellen schlägt. Laut EK soll sie gewisse Erleichterungen für die KI-Verordnung bringen. „Grundsätzlich erhöht aber jede neue Verordnung den Aufwand für die Rechtsabteilung und in weiterer Folge auch das Unternehmen.“

Quo vadis Legal Work

Heute definiert sie gute Arbeit über Entfaltung, Inspiration, Kreativität und Freude an der Tätigkeit. „Ich arbeite vermutlich mehr als früher als Anwältin, empfinde die Tätigkeit aber kaum als Arbeit und sehr erfüllend. Außerdem haben sich für mich neue Wege geöffnet, die sich sonst so vielleicht nicht ergeben hätten: Diese Woche erscheint die erste Auflage der ailex – Österreichs erste KI-Rechtszeitschrift bei der ich Mit-Herausgeberin bin. Ein interdisziplinäres Journal, um das Wissen der Jurist:innen, Techniker:innen und Praktiker:innen um technisches Know-how und darauf anwendbares KI-Recht zu erweitern.“

Für Merve Taner ist klar: Die Zukunft der Rechtsabteilung liegt in der aktiven Mitgestaltung: rechtlich fundiert, technisch kompetent und interdisziplinär vernetzt.


 

Anmerkung der Redaktion: Die KI-gestützten Software-Lösungen für Legal Compliance Monitoring von Codara sind dafür gedacht, Inhouse-Jurist:innen für anspruchsvolle Aufgaben freizuspielen.

Codara Compliance Suite

Unsere automatisierten Monitoring-Lösungen helfen Rechtsabteilungen, regulatorische Änderungen zuverlässig im Blick zu behalten, Risiken frühzeitig zu erkennen und Prozesse effizienter zu gestalten.

Newsletter website image

Alle News auf einen Blick

Bestellen Sie unseren Newsletter, damit Sie nichts verpassen.

Aktuelle Beiträge

Merve Taner: Legal by Design & die Rechtsabteilung

Merve Taner: Legal by Design & die Rechtsabteilung

Interview mit Merve Taner, Legal Counsel AI & Product Advisory bei der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG, über Legal by Design...

Generationenwandel im Management: zwei Sichtweisen

Generationenwandel im Management: zwei Sichtweisen

Codara-CEO Bernhard Landrichter und Energie-Steiermark-Manager Markus Fally über die Zusammenarbeit zwischen Generation Z und Babyboomern.

Codara Group im Start-up-Steckbrief von Die Presse

Codara Group im Start-up-Steckbrief von Die Presse

Die Tageszeitung Die Presse präsentiert Codara und unsere Compliance-Software für Regulatory Monitoring in ihrem Startup-Steckbrief.